„Mich interessiert, was die Leute zu sagen haben“
Wie wird man Therapeutin?
Kirsten Lückert ist schon lange mit dem LNK verbunden. Sie absolvierte direkt nach der Schule ein Freiwilliges Soziales Jahr dort und blieb dem Haus während ihrer Studienzeit als Pflegehilfskraft verbunden. Nach dem Studium des Sozialwesens an der Universität Kassel arbeitete Kirsten Lückert 15 Jahre lang als Therapeutin in einer Psychiatrie im Werra-Meißner-Kreis. Dann ergriff sie die Möglichkeit, ans LNK zurück zu kehren und dort im Sozialdienst der Station P3 anzufangen. „Das hat hier Tradition. Viele kommen wieder“, sagt die 50-Jährige Mutter eines erwachsenen Sohns. Sie schätzt besonders die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen, den Umgang mit den Patient*innen und die Kritikfähigkeit im Klinikteam.
Das Leben organisieren – Aufgaben des Sozialdienstes
Bis 2022 unterstützte Kirsten Lückert die Patient*innen der P3 bei der Organisation von Alltagsdingen. „Gibt es eine Krankenversicherung, ein regelmäßiges Einkommen? Besteht ein Pflegegrad? Worin besteht der Hilfebedarf? Kommen sie allein zuhause zurecht oder brauchen sie Hilfe bei der Hauswirtschaft?“, solche Fragen besprach sie täglich mit ihren Patient*innen. Alle Stationen und die Tagesklinik des LNK haben einen Sozialdienst, der sich um diese wichtigen Alltagsfragen kümmert.
Ich habe auch gemeinsam mit den Patient*innen Hausbesuche gemacht. Das habe ich immer als großen Vertrauensbeweis empfunden. Man kann schon sagen, wenn man mitgenommen wurde, hat man ein anderes, engeres Verhältnis zu dem Menschen.
Wechsel in das ambulante Angebot
Seit vergangenem Jahr arbeitet Kirsten Lückert als Therapeutin. Täglich hat sie Termine mit Patient*innen, die nach der stationären Therapie im LNK weiter ambulante Gespräche nutzen oder die sich direkt an die Tagesklinik gewandt haben. „Chronische psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Ängste, wahnhafte Störungen, Psychosen, Traumafolgen“, zählt sie einige der Diagnosen auf, die die Menschen zu ihr führen.
Je nach Bedarf führt sie Gespräche gemeinsam mit Angehörigen oder Patient*innen allein. Die Ausbildung zur systemischen Familientherapeutin empfindet sie dabei als wichtiges Handwerkszeug: „Es ist eine gute Methode, um den Menschen gut kennenzulernen“, sagt sie und unterstreicht, dass eine Haltung der Neutralität dabei wichtig sei. Es erstaune sie immer wieder, was Menschen so erleben können. Dank der professionellen Methode komme sie dabei seltener an ihre persönlichen Grenzen. „Ich bin auch demütig, in dem Sinne, dass ich mir bewusst mache, dass ich als Mensch nicht so wichtig sein kann, das Problem wegzuzaubern.“
In der Traumatherapie führt sie auch Skill-Trainings durch, bei dem die Patient*innen lernen, sich selbst zu stabilisieren, indem sie z.B. beruhigende Dinge tun (wie Malen, Musikhören) oder gezielt Gegenreize setzen (wie Wärme, Kälte oder moderaten Schmerz). Wichtig sei hier außerdem das Verständnis der Patient*innen für ihre Erkrankungen. Also woher beispielsweise der Wunsch kommt, sich z.B. zu verletzen. Die Stabilisierung sei Voraussetzung für eine Auseinandersetzung mit dem Trauma, erläutert die Therapeutin.
Psychische Erkrankungen gehören dazu
Kirsten Lückert selbst hatte nie Berührungsängste mit psychischen Erkrankungen. Sie wuchs in der Nähe der Psychiatrie in Merxhausen auf und hatte Familie, die dort arbeitete. Natürlich kennt sie die gängigen Vorurteile gegenüber psychischen Erkrankungen.
„Die Stigmatisierung ist immer noch groß und daher auch die Berührungsängste. Aber: „Es gibt keinen Unterschied zwischen den Patient*innen und mir. Die Frage ist: Was haben die Menschen für Lebensgeschichten?“, sagt sie.
Diese Geschichten zu hören, empfindet Kirsten Lückert als Privileg. „Ich schätze an meiner Arbeit, dass man die Menschen eng begleiten darf. Sie erzählen uns viele Stationen ihres Lebens bzw. der Lebens- und Leidensgeschichte“. Als Beispiel führt sie eine Patientin an, die sie seit langem begleitet: „Sie wurde über viele, viele Jahre immer wieder aufgenommen, teilweise mit sehr schillernden Symptomen. Heute ist sie stabil und ich treffe sie ambulant. Sie sagt: ‚Ich bin ihnen dankbar, dass sie mich auch ausgehalten haben, als ich mich so unmöglich verhalten habe.‘ Für solche Rückmeldungen lohnt sich immer wieder, einen bisschen längeren Atem zu haben“, sagt Kirsten Lückert.