Alles im Griff
Es ist ein später Freitagnachmittag im Warburger Land. Aus der kleinen Sporthalle dringt die Rhythmik von Tischtennisbällen, die über flache Kunststoffnetze geschmettert werden. Dort trainiert die Jugend des SV 21 Bonenburg, acht Teenager und zwei Betreuer. Am Ende der Halle steht Trainer Christof Stallmeister mit einem 15-Jährigen an der Platte. „Gut so, Dennis“, ruft er, als die Bälle konstant über das Netz retourniert werden – mit rechts. Dieser Zusatz ist wichtig.
Mit dem Begriff Wunder sollte man nicht inflationär umgehen, doch diese Trainingseinheit kommt der Sache recht nahe. Der Weg dorthin war lang und kaum absehbar. Am Morgen des 23. Juni 2014 kommt Dennis mit dem Rettungshubschrauber Christoph 7 ins Klinikum Kassel. Bei einem Schulbusunfall im Ort Scherfede, der für die meisten Kinder glimpflich ausgeht, wird ihm der rechte Arm abgetrennt. Dazu hängt seine Hand nur noch an wenig Gewebe.
Der Kinderanästhesist Dr. Christian Gernoth erinnert sich an einen adrenalingefüllten Schockraum in der Notaufnahme. „Alle denken sofort an ihre eigenen Kinder, alle wollen helfen“, sagt Gernoth. Und genau das geschieht: Nur 45 Minuten nach Ankunft des Rettungshubschraubers wird Dennis in den OP-Saal gebracht, wo Professor Dr. Goetz Giessler, Direktor der Klinik für plastische Chirurgie, schon den abgetrennten Arm für die Replantation vorbereitet.
Zehn Stunden werden er und sein Team im OP verbringen. Weltweit sind nur wenige „Doppel“-Amputationen bekannt, die erfolgreich operiert wurden.
Weder in der Schule noch beim SV 21 Bonenburg muss Dennis seine Narben erklären. Alle wissen von dem Schulbusunfall, der in der Gegend ein einschneidendes Ereignis war. Einige Teenager, die mit ihm Tischtennis spielen, saßen ebenfalls im Bus. Darunter waren auch die Söhne des Trainers Christof Stallmeister. „Dennis legt eine rasante Entwicklung hin, auch persönlich. Er ist durch den Sport mutiger geworden“, sagt Stallmeister nicht ohne Stolz. Und er spielt mit rechts.