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News & Presseinformationen

Geballte Lungen-Fachkompetenz in Kassel

Chefarzt Dr. Sebastian Kellner über die interdisziplinäre Behandlung von Lungenkrebs

Kassel

Lungenkrebs ist deutschlandweit eine der häufigsten bösartigen Erkrankungen – bei Männern ist es die zweit-, bei Frauen die dritthäufigste Krebserkrankung. Fast 60.000 Menschen erkranken hierzulande jährlich an Lungenkrebs. Die Diagnose ist für die Patienten zunächst natürlich ein großer Schock. Doch in der Fuldastadt gibt es durch die seit Jahren bestehende Zusammenarbeit von Marienkrankenhaus und Klinikum Kassel eine optimale Patientenbetreuung, bei der verschiedene Spezialisten ideal zusammenarbeiten. Einer von ihnen ist Dr. Sebastian Kellner, Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie am
Klinikum Kassel. Im Interview gibt er Einblicke in seine Arbeit.

Herr Dr. Kellner, was genau umfasst eigentlich die Thoraxchirurgie?

Im Grunde genommen kann man sagen, dass die Thoraxchirurgie die Chirurgie der Lunge ist. Im Thorax befinden sich zwar auch noch die Speise- und Luftröhre, dort wird aber eher selten operiert. Rund 90 Prozent unserer Operationen beziehen sich auf die Lunge, dort liegt unser Schwerpunkt.

Und was sind typische Erkrankungen, mit denen Sie zu tun haben?

Unser Haupttätigkeitsfeld ist die Tumorchirurgie. Neben Patienten mit Tumoren haben wir auch viele mit Lungenmetastasen, was oft mit aufwendigen Operationen verbunden ist. Die Kunst liegt dabei nicht darin, die Metastasen zu entfernen, sondern die Lunge nicht zu schädigen. Ich hatte vor vielen Jahren mal ein 16-jähriges Mädchen mit insgesamt 96 Lungenmetastasen, ausgelöst von einem Speicheldrüsenkrebs. Eigentlich gab es dafür keine Therapiemöglichkeiten mehr und der Fall schien nahezu aussichtlos. Ich habe mich trotzdem für einen operativen Eingriff entschieden und das Mädchen kann heute ein kerngesundes Leben genießen. Nach solchen Geschichten wird mir auf jeden Fall die Sinnhaftigkeit meiner Arbeit bewusst.

Gibt es nach solchen Operationen bei Ihnen im Hause auch eine Nachsorge?

Ja, jeder Patient erhält nach Abschluss seiner Behandlung einen Nachsorgeplan. Bei operierten Patienten empfehlen die Leitlinien zum Beispiel vierteljährliche Nachsorgen mit einer geeigneten Bildgebung. Das ist in der Regel ein CT.

Bringen so häufige Computertomographien nicht eine sehr hohe Strahlenbelastung mit sich?

Natürlich gibt es eine gewisse Strahlenbelastung. Wenn man aber ein Rezidiv, also das Wiederauftreten des Tumors, frühzeitig erkennen möchte, ist ein CT die beste Möglichkeit, um den Patienten wieder früh genug behandeln zu können.

Gibt es alternative Therapien, wenn ein operativer Eingriff nicht infrage kommt?

Ja, mittlerweile gibt es zum Glück viele gute konventionelle Therapien. Bis vor einigen Jahren gab es bei einer Tumorerkrankung nur die Varianten Bestrahlung, Chemotherapie oder Operation. Seit einigen Jahren gibt es zusätzlich Immuntherapien. Im Grunde genommen sorgt eine solche Therapie dafür, dass der Körper wieder das tun kann, was er eigentlich soll: Den Tumor selbst abwehren. Immuntherapien sollen das Immunsystem also so weit stärken, dass es aus eigener Kraft Krebszellen zerstören kann. Es funktioniert leider nicht bei allen Patienten bzw. Krebserkrankungen, aber bei einer Reihe von Tumorerkrankungen ist es eine hervorragende Therapiemöglichkeit. Man kann hier wirklich von einer Zeitenwende in der Tumorbehandlung sprechen.

Wir sprachen bereits über Behandlungen und Nachsorge. Wie sieht es denn eigentlich vorher aus? Gibt es Anzeichen für einen Lungentumor?

Leider gibt es nicht viele Symptome, die auf einen Lungentumor hinweisen. Es kann zu morgendlichem Auswurf kommen, vielleicht ist auch mal eine Spur Blut dabei. Doch der Grund dafür kann beispielsweise auch eine schwere Bronchitis sein. Wenn jemand aber vermehrt hustet, sollte er auf jeden Fall zum Arzt gehen und dort eine entsprechende Diagnostik stellen lassen. Viele unserer
Patienten kommen leider erst in einer metastasierten Situation zu uns.

Ihr Fachgebiet ist die Chirurgie. Wie wichtig ist in der Krebsbehandlung die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und Fachleuten?

Für eine optimale Behandlung ist die optimale Zusammenarbeit aller Spezialisten erforderlich. Alle Patienten mit einer Lungentumorerkrankung, die sich entweder im Marienkrankenhaus oder im Klinikum vorstellen, werden mit allen Spezialisten im Rahmen einer Tumorkonferenz besprochen. Dazu treffen wir uns zweimal in der Woche, einmal im Marienkrankenhaus und einmal in Klinikum. Anwesend sind neben den Chirurgen auch die Lungenfachärzte, die Onkologen, die Strahlentherapeuten, die Pathologen und die Radiologen. Dann wird dort das für den einzelnen Patienten beste Vorgehen besprochen. Welche Untersuchungen sind noch erforderlich, haben wir genügend Gewebematerial für alle Spezialuntersuchungen, hält der Patient eine Operation aus, ist eine gezielte Bestrahlung sinnvoll, kann der Patient mit einer Immuntherapie oder mit Tabletten behandelt werden – all das wird auf einer Tumorkonferenz besprochen und dokumentiert, so dass alle über den Patienten Bescheid wissen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Patient sich im Marienkrankenhaus oder im Klinikum zuerst vorgestellt hat, allen stehen die gleichen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Das enge Miteinander leben wir nun seit über fünf Jahren und können damit unseren Patienten eine bestmögliche Behandlung mit modernsten Verfahren anbieten.

Ich kann mir vorstellen, dass ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt bei Ihrer Arbeit vielleicht eines der wichtigsten Dinge ist...

Absolut. Eine gute und transparente Kommunikation ist generell ein wichtiger Faktor, damit die Patienten auch Vertrauen in die Therapien haben – und an Erfolge glauben. Und erfolgreiche Therapien werden natürlich umso wahrscheinlicher, wenn Spezialisten eng und gut zusammenarbeiten.

Viele Patienten denken bei einer Tumorentfernung wahrscheinlich meist an eine „offene“ Operation. Gibt es eigentlich auch andere Möglichkeiten?

Früher war für eine Lungenoperation ein großer Schnitt am seitlichen Brustkorb erforderlich, die OP war oft mit zwei Wochen Krankenhausaufenthalt und langen Beschwerden nach der OP verbunden. Spezialisierte Lungenchirurgie sieht heute anders aus, über einen einzigen kleinen Schnitt von circa drei Zentimeter können mit minimal invasiver Technik auch komplizierte Operationen durchgeführt werden, der Aufenthalt im Krankenhaus ist kurz und die postoperativen Folgen gering. Diese sogenannte uniportale Technik macht nicht nur viel weniger Nebenwirkungen, sie erzielt wahrscheinlich sogar noch bessere Heilungsraten als eine alte offene Operation.

Gibt es auch andere Möglichkeiten, Lungenkrebs zu heilen, wenn eine Operation nicht möglich ist?

Bei sehr alten Menschen oder bei sehr kranker Lunge nimmt man manchmal von einer Operation Abstand. Hier hat man heute bei begrenzten Tumoren die Möglichkeit, diese mit einer gezielten Strahlenbehandlung (Sterotaxie) zu zerstören. Dabei wird nur genau der Tumor mit einer hohen Dosis bestrahlt und damit zerstört. Gesundes Gewebe darf möglichst nicht mit erfasst werden. Diese Form der Bestrahlung ist sehr aufwendig und erfordert höchste Präzision und modernste Technik, ist aber neben der Operation eine zweite Möglichkeit, Tumorgewebe völlig zu zerstören. Die Strahlentherapie setzt diese Form der Bestrahlung seit einigen Jahren sehr erfolgreich ein. Auch hier erfolgt die Absprache, für welchen Patienten nun Operation oder Bestrahlung das beste Verfahren ist, zuvor in einer Tumorkonferenz.

 


Teamarbeit Lungenkarzinom: Umfassende Patientenversorgung
 

Die Versorgung von Patienten mit ihren unterschiedlichen Lungenkarzinomen stellt heute eine der anspruchsvollsten Herausforderungen in der Krebsmedizin dar. Dies erfordert eine individuelle Behandlung, gestützt durch eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit, um für jeden Patienten die für ihn notwendige Diagnostik sowie die beste, leitliniengerechte Therapiestrategie festzulegen. In Kassel findet diese Zusammenarbeit im gemeinsamen Zentrum von Marienkrankenhaus (MKH) und Klinikum Kassel (KKS) statt. Die Kooperation der beiden Kliniken ermöglicht es bei kurzen Wegen innerhalb Kassels nun noch besser, dass alle Fachdisziplinen und Spezialisten gemeinsam eine umfassende Patientenversorgung sicherstellen können. Patienten werden dabei in allen Krankheitsphasen professionell begleitet: von der Diagnosestellung über die Therapie bis hin zur Nachsorge. Marienkrankenhaus und Klinikum Kassel führen regelmäßig gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Lungentumore und Betreuung und Behandlung von Patienten durch. Nähere Informationen werden über Flyer versendet. Alle Interessierten sind dazu herzlich willkommen.

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