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News & Presseinformationen

Hilfe für Patientinnen mit Lymphödem

Kassel

Nach einer Brustkrebsoperation und begleitender Lymphknotenentfernung im Bereich der Achselregion kommt es häufig (bis zu 63% der Patientinnen) zu einem Lymphödem der betroffenen Armseite. Das Lymphödem äußert sich in einer eiweißreichen Flüssigkeitsansammlung im Gewebe mit einer Schwellung sowie Spannungs- und Schweregefühl des betroffenen Armes. Einer 64-Jährigen Patientin konnten die Plastischen Chirurgen des Klinikum Kassel (Klinik für Plastisch-rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie; Direktor Prof. Dr. Goetz A. Giessler) jetzt mit einer doppelten Lymphknotentransplantation helfen, die bisher in der medizinischen Literatur noch nicht beschrieben ist. Seit der Operation ist Gisela Tirpitz schmerzfrei, die Schwellung und das Spannungsgefühl im Arm sind schon deutlich zurückgegangen.

Das Lymphsystem ist Teil des Immunsystems und spielt eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern. Die Lymphgefäße transportieren die Lymphflüssigkeit durch den Körper, die Lymphknoten dienen dabei als Filterstation. Wird der Lymphfluss gestört, staut sich die Lymphflüssigkeit im Gewebe. Es kann sich ein Lymphödem bilden und zu einer starken Schwellung führen, von der häufig Arme und Beine, aber auch andere Körperteile betroffen sind. Je nach Ausprägung sind die Patienten dadurch in ihrem Alltag stark eingeschränkt und stehen unter erheblichem Leidensdruck.
Sind keine oder nur noch wenige intakte Lymphgefäße mehr vorhanden, ist die Transplantation von Lymphknoten aus einem anderen Körperbereich des Patienten eine Möglichkeit, die nur von wenigen Kliniken in Deutschland angeboten wird. „Werden Lymphknoten in ein chronisch ödematöses, also angeschwollenes Körperteil transplantiert, so wird damit ein neuer Lymphabfluss geschaffen, was unseren Patienten mittelfristig erhebliche Erleichterung bringen kann“, erläutert Privat-Dozent Dr. Holger Engel, Leitender Oberarzt der Klinik für Plastisch-rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie im Klinikum Kassel, wo bereits seit 2013 Lymphknoten mit mikrochirurgischen Verfahren transplantiert werden.

Bei Gisela Tirpitz aus Schwalmstadt-Ziegenhain wurde 2008 Brustkrebs diagnostiziert, es folgten Chemotherapie, Operation und Bestrahlung. Bald entwickelte sich ein Lymphödem in ihrem linken Arm, weil im Zuge der Krebsbehandlung auch Lymphknoten in der linken Achselregion entfernt werden mussten. Regelmäßige Lymphdrainage und das Tragen von Kompressionsstrümpfen zeigten keine ausreichende Wirkung: „Arm und Finger waren nach wie vor stark geschwollen“, berichtet die Patientin. „Ich hatte ständig Schmerzen, insbesondere abends.“ Im März 2016 lernte sie beim 1. Deutschen Lymphtag PD Dr. Engel kennen und lud ihn als Referenten in die Gruppe Homberg-Efze der Frauenselbsthilfe nach Krebs ein, in deren Leitung sie aktiv ist. Danach stellte sie sich in der Lymph-Sprechstunde im Klinikum Kassel vor und entschloss sich schließlich zur doppelten Lymphknotentransplantation.

Am 10. Oktober 2016 entnahm PD Dr. Engel gemeinsam mit Dr. Bernd Ruten, Leitender Oberarzt der Klinik für Allgemeinchirurgie im Klinikum Kassel, zwei Lymphknotentransplantate aus dem Bauchraum (Mesenterium). Diese Entnahmestelle, die weltweit bisher nur in einem US-amerikanischen Tumorzentrum genutzt wird, hat den großen Vorteil, dass gleichzeitig mehrere Lymphknotentransplantate entnommen werden können. „Dies kann über einen nur 4 cm kleinen Schnitt oberhalb des Bauchnabels erfolgen“, so Professor Giessler.

Weltweit die ersten sind die Kasseler Plastischen Chirurgen mit der doppelten Lymphknotentransplantation nun an zwei unterschiedlichen Regionen des Armes: Sie setzten die Lymphknoten im Bereich des Ellenbogens und des Handgelenks ein. PD Dr. Engel vergleicht die Lymphknoten mit kleinen Pumpstationen. „Bei einer Transplantation in den Bereich der Achsel – ein ebenso mögliches Verfahren – hätte die Pumpleistung nicht bis zum Handgelenk gereicht.“

Gleich nach der Operation waren die Schwellung deutlich verringert und die Schmerzen im linken Arm und der Hand verschwunden, berichtet Gisela Tirpitz. Fünf Monate nach dem Eingriff ist der Oberarm bereits 2 cm dünner, der Unterarm 1 cm. Bis zu einem Jahr nach der Operation kann sich die Schwellung noch weiter verringern. Aktuell trägt die Patientin weiterhin ihre Kompressionsstrümpfe mit begleitender Lymphdrainagen. Ungefähr zehn Prozent der Patientinnen benötigen langfristig gar keine Kompressionswäsche und Lymphdrainage mehr. Dies ist davon abhängig, wie weit fortgeschritten das Lymphödem ist. Wird das Lymphödem in einem frühen Stadium diagnostiziert und behandelt, sind die Chancen auf einen späteren Kompressionsverzicht deutlich erhöht.

Mit diesen mikrochirurgischen Therapieoptionen des Lymphödems bietet die Klinik für Plastisch-rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie - eingebunden in das Interdisziplinäre Brustzentrum - als einzige im weiteren Umkreis nicht nur die Rekonstruktion der weiblichen Brust mit allen modernen Methoden an, sondern behandelt auch kausal die unerwünschten Nebenwirkungen einer notwendigen Tumortherapie.