Zum Hauptinhalt springen

Leukämietherapie und Stammzelltransplantation

Akute Leukämie

Die Diagnose Leukämie stellt für Sie als Betroffenen einen massiven Lebenseinschnitt dar. Alles Gewohnte und viele Zukunftspläne werden in Frage gestellt, stattdessen muss man sich mit einer bösartigen Erkrankung auseinandersetzen.

In Deutschland erkranken jährlich etwa 9.800 Menschen neu an Leukämie(Blutkrebs). Dabei erkranken häufiger Männer als Frauen. Unter Leukämie versteht man ein unkontrolliertes Wachstum und fehlende Ausreifung von Leukozyten (weiße Blutkörperchen). Die Hauptaufgabe der weißen Blutkörperchen ist die Abwehr von Fremdkörpern. Dazu zählen Viren, Bakterien und Tumorzellen sowie Pilze und Würmer.  Leukämiezellen sind im Knochenmark und häufig auch im Blut nachweisbar. Die Einteilung der Leukämie erfolgt nach dem Verlauf (akut oder chronisch) und nach der Ursprungszelle (lymphatisch oder myeloisch). Akute Leukämien sind lebensbedrohliche Erkrankungen, die unbehandelt in wenigen Wochen bis Monaten zum Tode führen. Chronische Leukämien verlaufen meist über mehrere Jahre und sind im Anfangsstadium häufig symptomarm.

Diese Informationen hier stellen keinen Anspruch darauf, das Gespräch mit Ihrem behandelnden Arzt zu ersetzen. Wir möchten Ihnen erste Informationen vermitteln, sodass Sie gezielte Fragen stellen können. Je besser Sie informiert und aufgeklärt sind, desto besser verstehen Sie, was mit Ihnen geschieht. Umso mehr können Sie aktiv an Ihrer Genesung mitarbeiten.

In den meisten Fällen lässt sich keine Ursache eruieren. Bekannte, aber seltene Ursachen sind vorangegangene Chemotherapie, Bestrahlung, Exposition gegenüber radioaktiven Substanzen, Einwirkung von Benzol und anderen chemischen Substanzen.

Zu Beginn der Erkrankung sind die Beschwerden so allgemein und uncharakteristisch, dass sie auch eine ganz andere Ursache haben können. Bei akuten Leukämien bestehen häufig schwere Krankheitssymptome wie:

  • Müdigkeit, Erschöpfung, 
  • Blässe (durch Blutarmut/ Anämie), 
  • Blutungsneigung (Nasenbluten, Zahnfleischbluten),
  • Schwindel, Nachtschweiß, Rückenschmerzen 
  • Fieber
  • schwer verlaufende Infekte
  • geschwollenen Lymphknoten
  • vergrößerte Milz
  • vergrößerte Leber

Routinemäßig kann zur Diagnosestellung einer Leukämie, neben der körperlichen Untersuchung und den Laboranalysen, auch eine Knochenmarkuntersuchung notwendig sein. Bei der Blutuntersuchung wird festgestellt, welche Untergruppe der weißen Blutkörperchen sich bösartig verändert hat, da sich hiernach die genaue Diagnose und dementsprechend die Behandlung richten. 

Folgende Untersuchungsmethoden können weiterhin zum Einsatz kommen: Lumbalpunktion, Röntgenuntersuchungen oder Computertomographie (CT),  Kernspintomographie (MRT), Ultraschalluntersuchung. Die einzelnen Untersuchungen werden mit Ihnen besprochen und Sie werden  gesondert aufgeklärt.

Grundsätzlich unterscheidet man bei der Leukämie vier Formen:

Akute lymphatische Leukämie (ALL):

Sie tritt am häufigsten bei Kindern bis fünf Jahre auf; selten sind auch Erwachsene davon betroffen. Sie geht aus den unreifen lymphatischen Zellen im Knochenmark hervor. Symptome sind vergrößerte Lymphknoten, Blutungen sowie auffallend häufige Infekte. Die ALL befällt im Verlauf in manchen Fällen auch das Gehirn und die Hirnhäute (Meningen), deshalb können neurologische Symptome wie Lähmungen vorkommen. Die Prognose hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist bei Kindern günstiger als bei Erwachsenen. Fünf Jahre nach der Therapie leben noch etwa 80 Prozent der betroffenen Kinder.

Akute myeloische Leukämie (AML):

Die AML tritt am häufigsten im Erwachsenenalter auf, wobei das Erkrankungsrisiko mit zunehmenden Alter steigt. Sie geht aus unreifen Stammzellen der weißen Blutkörperchen hervor, den sogenannten myeloischen Zellen. Die AML kann aber auch aus entarteten roten Blutkörperchen (Erythrozyten) entstehen (Erythroleukämie). 

Chronisch myeloische Leukämie (CML):

Bei der CML vermehren sich zunächst noch funktionsfähige Granulozyten sehr stark. Granulozyten sind eine Unterform der weißen Blutkörperchen. Geht die CML in ein akutes Stadium über, kommt es zur sogenannten Blastenkrise. Dabei werden viele nun unreife und nicht funktionsfähige Granulozyten-Vorstufen (Blasten) ins Blut geschwemmt. Weil sich die entarteten Zellen auch in Leber oder Milz ansiedeln, sind diese Organe bei der CML oft geschwollen. Typisches Merkmal der CML ist das sogenannte Philadelphia-Chromosom – eine genetische Veränderung, die bei über 90 Prozent der CML-Patienten nachweisbar ist.

Chronisch lymphatische Leukämie (CLL): 

Die CLL gehört zu den sogenannten Non-Hodgkin-Lymphomen (bösartige Erkrankungen des Lymphsystems). Wegen des Krankheitsverlaufs ordnen Ärzte die CLL den Leukämieformen zu. Sie tritt vor allem bei älteren Menschen auf und ist in Mitteleuropa die häufigste Leukämie-Form. Im Blut und im Knochenmark, in den Lymphknoten, in Leber und in der Milz häufen sich sogenannte B-Lymphozyten an. Im gesunden Zustand bilden diese weißen Blutkörperchen Antikörper und sind somit ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems. Bei der CLL sind die angehäuften B-Lymphozyten aber nicht intakt und damit funktionslos. Deshalb ist das Abwehrsystem der Betroffenen besonders geschwächt.

Art und Zeitpunkt der Behandlung hängen von der jeweiligen Leukämieform ab. Bei akuten Leukämien ist eine möglichst frühzeitige Behandlung angezeigt.

Wir behandeln Sie nach international anerkannten Therapieleitlinien und suchen für Sie immer nach dem besten und erfolgversprechendsten Weg. Die Therapieentscheidung wird dabei immer im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz getroffen. Wöchentlich findet für Leukämiepatienten eine spezielle Tumorkonferenz statt. In dieser Konferenz wird die Entscheidung über die Behandlung eines Patienten interdisziplinär, zusammen mit allen Fachdisziplinen getroffen. An dieser Konferenz sind immer Onkologen, Hämatologen, Radiologen, Strahlentherapeuten, Pathologen, Nuklearmediziner und je nach Erfordernis auch weitere Spezialisten beteiligt. Die Ergebnisse der Tumorkonferenz besprechen und erläutern wir ausführlich mit unseren Patienten. Wenn die Patientin einverstanden ist, beginnen wir die individuelle Therapie.

Hauptbestandteil der Behandlung von Betroffenen mit Leukämie ist derzeit die Chemotherapie. Je nach Krankheitsbild kann sie durch andere Therapieformen ergänzt werden. 

Behandlungsmöglichkeiten können sein:

  • Chemotherapie
  • Strahlenbehandlung
  • Verabreichung von Hormon-ähnlichen Stoffen (Zytokine)
  • Antikörper
  • Knochenmark-/ Blutstammzellentransplantation 

Einige kurze Worte zu Naturheilverfahren, alternative Methoden usw.: Ergänzend: Ja, Anstelle: Nein! Schulmedizin und Naturheilkunde müssen sich nicht ausschließen. Wir sind aufgeschlossen gegenüber komplementärer Therapien wie z.B. Mistelpräparate, Enzyme, Vitamine –um nur einige zu nennen- wenn Sie diese anwenden wollen. Wichtig ist, dass Sie dies mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen, nicht zuletzt deswegen, weil im Einzelfall Unverträglichkeiten mit anderen Medikamenten auftreten können. Bedenken Sie aber, dass diese Maßnahmen niemals ein Ersatz für Ihre Krebsbehandlung sein kann. All diese ergänzenden Therapien haben das Ziel, das Wohlbefinden und damit die Lebensqualität zu verbessern. Keine dieser Verfahren können den Anspruch stellen, die Krebserkrankung zu heilen.

Die Nachsorge ihrer Erkrankung dient der rechtzeitigen Erfassung und Behandlung von Therapiefolgen sowie insbesondere dem frühzeitigen Erkennen eines Erkrankungsrückfalls (Rezidiv), der Dokumentation des Behandlungserfolgs und der psychosozialen Betreuung. Auch die Erfassung einer möglichen Zweittumorerkrankung zu erkennen, ist eine Aufgabe der Nachsorge. Die Nachsorgeintervalle und die dann durchzuführenden Untersuchungen werden von ihrem behandelnden Arzt mit Ihnen besprochen und abgestimmt.

Autologe Blutstammzelltransplantation

Wir möchten Ihnen gerne einige Informationen zur sogenannten autologen Blutstammzellentransplantation zur Verfügung stellen. Auch diese Informationen stellen keinen Anspruch darauf, das ausführliche Gespräch mit Ihrem behandelnden Arzt zu ersetzen, sondern dienen lediglich dazu, Sie an das Thema vorab heranzuführen.

Jeder Mensch hat in seinem Knochenmark Blutstammzellen. Diese Stammzellen produzieren kontinuierlich neue Blutzellen (z.B. rote und weiße Blutkörperchen) und ersetzen so kaputte oder auf Grund der natürlichen Alterung zugrunde gehende Blutzellen.

Wenn die Blutstammzellen durch eine intensive Chemotherapie oder Strahlentherapie bei der Behandlung von Krebs zerstört werden, könnte der Betroffene ohne neue Stammzellen nicht lange überleben.

Deshalb bekommt der Patient neue Blutstammzellen über eine sogenannte Blutstammzellentransplantation.

Bereits eine „übliche“ Chemotherapie kann die Blutstammzellen schädigen und die Blutbildung stören. Wie stark diese Schädigung ausfällt, hängt dabei von der Art der eingesetzten Medikamenten und der Dosierung ab. Bei einer Strahlentherapie rechnet man mit Schädigung der Blutbildung nur, wenn Knochen mit viel Knochenmark im Strahlenfeld liegen.

Eine dauerhafte Schädigung der Blutbildung ist bei einer „üblichen“ Chemo- oder Strahlentherapie aber nicht zu erwarten und die meisten Patienten erholen sich ohne schwerwiegende Nebenwirkungen von diesem kurzfristigen Mangel an Blutzellen.

Manchmal benötigen Patienten mit einer bestimmten Krebserkrankung allerdings eine intensivierte Therapie in Form einer sogenannten „Hochdosis-Chemotherapie“ oder auch eine Ganzkörperbestrahlung. Durch die hohe Dosierung der Medikamente oder der Strahlung werden die Krebszellen effektiver abgetötet, leider aber ebenso die Blutstammzellen. Die Erholung von dieser Schädigung würde viel, viel länger dauern. Die Schädigung kann sogar so stark sein, dass der Patient von alleine nicht mehr ausreichend Blutstammzellen bilden kann. Deshalb bekommen diese Patienten nach der intensivierten Krebstherapie eine Blutstammzelltransplantation, auch um mögliche Nebenwirkungen wie z.B. schwere Infektionen und Blutungen zu verhindern.

Ob eine Blutstammzellspende notwendig ist, hängt unter anderem von der Art und der Schwere der Erkrankung und vom allgemeinen Gesundheitszustand des Betroffenen ab.

Es gibt zwei Formen der Blutstammzellspende:

  • Autologe Blutstammzelltransplantation: Der Patient hat im Vorfeld eigene Blutstammzellen gespendet und bekommt seine eigenen Zellen wieder zurück transplantiert. Die autologe Blutstammzelltransplantation wird in der Klinik für Hämatologie und Onkologie angeboten. Dafür ist die Klinik mit besonderen Isolationszimmern ausgestattet.
  • Allogene Blutstammzelltransplantation: Hierbei werden „fremde“ Blutstammzellen transplantiert. Bei dieser Form müssen bestimmte Eigenschaften der Zellen des Spenders zu den Eigenschaften vom Empfänger passen (sogenannte HLA-Typisierung – eine Blutuntersuchung vom Spender und vom Empfänger), ähnlich wie bei einer Bluttransfusion. Für eine allogene Blutstammzelltransplantation muss der Patient in eine andere Klinik.

Vorbehandlung

Der Betroffene wird in der Regel vorher mit einer „üblichen“ Chemotherapie und/oder Strahlentherapie behandelt, um möglichst viele Krebszellen abzutöten.

Gewinnung der Blutstammzellen

Im Verlauf der Behandlung werden vom Patienten Blutstammzellen gesammelt. Dafür wird über mehrere Tage ein bestimmter Blutwert (CD34) bei der täglichen Routine-Blutentnahme bestimmt. Anhand dieses  Wertes können die behandelnden Ärzte abschätzen, wie viele Blutstammzellen im Blut vorhanden sind.

Ist der Wert zu niedrig, macht eine Sammlung keinen Sinn und es ist u.U. notwendig, die Bildung von Blutstammzellen mit einem Wachstumsfaktor (z.B. GCSF – Granulozyten-Kolonie-stimulierender-Faktor) anzuregen. Dafür bekommt der Patient 1x täglich eine Spritze mit GCSF in das Unterhautfettgewebe der Bauchdecke oder des Oberschenkels gespritzt, solange bis ausreichend Blutstammzellen im Blut nachweisbar sind.

Ist der Wert hoch genug, können die Blutstammzellen gesammelt werden. Die Sammlung (Apharese) wird in der Blutbank am Klinikum Kassel durchgeführt und dauert in der Regel zwischen 2 – 4 Stunden. Über eine Art der Blutwäsche werden die Zellen aus dem Blut herausgelöst. Es kann je nach Anzahl der gesammelten Zellen eine Sitzung ausreichen oder es sind mehrere Sitzung an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen notwendig.

Hochdosistherapie

Der Patient erhält eine hochdosierte Chemotherapie über mehrere Tage. Dadurch sollen möglichst viele Tumorzellen zerstört werden. Begleitend erhält der Patient Medikamente, die mögliche Nebenwirkungen verhindern oder abmildern sollen.

Welche Medikament in welcher Dosierung und welche Begleitmedikamente der Patient bekommt, richtet sich nach Art und Schwere der Erkrankung und wird vorher in einem ausführlichen Gespräch mit dem behandelnden Arzt besprochen.

Der Patient wird in einem unserer speziellen Isolationszimmer auf der D82 oder D92 untergebracht. Diese Zimmer haben spezielle Luftfilter und eine besondere Art der Wasseraufbereitung. Dadurch soll das Risiko einer schweren Infektion durch Bakterien, Viren oder Pilzen so gering wie möglich gehalten werden. 

Die Überwachung und Untersuchungen des Patienten werden engmaschiger durchgeführt nach einem genau festgelegten Standard.

Blutstammzellentransplantation

Nach der Hochdosistherapie erhält der Patient die zuvor gesammelten eigenen Blutstammzellen zurück. Diese sind zu einer Infusion oder in einer Infusionsspritze aufbereitet und werden über einen venösen Blutzugang verabreicht. Auch hier bekommt der Patient vorher und danach Begleitmedikation, um Nebenwirkungen zu verhindern oder abzuschwächen. Währende der Transplantation und auch danach wird der Patient engmaschig überwacht.

Nach wenigen Tagen sind die neuen Zellen im Knochenmark angekommen und beginnen dort mit der Bildung neuer Zellen. In der Regel hat sich die Blutbildung nach 2 bis 4 Wochen normalisiert.

Die Nebenwirkungen richten sich nach Art der eingesetzten Medikamente der Hochdosistherapie. Welche Nebenwirkungen zu erwarten sind und welche Begleitmedikamente der Patient bekommt, wird ausführlich mit Ihnen im Vorfeld besprochen.

Eine der häufigsten Nebenwirkungen ist die Schwächung des Immunsystems. Durch die Schädigung der Blutbildung werden wenige bis keine weißen Blutkörperchen gebildet, die für die Abwehr von Infektionen durch Bakterien, Viren und Pilze verantwortlich sind.

Deshalb werden die Patienten in dieser Zeit engmaschig überwacht (z.B. mehrmals täglich Fieber und Blutdruck messen und tägliche Blutentnahmen). Die Patienten bekommen vorbeugend Medikamente (z.B. Antibiotika), um eine Infektion zu vermeiden. Weitere geeignete Maßnahmen wie z.B. die Umkehrisolation, also das Betreten des Patientenzimmers mit Mundschutz und Kittel, werden unterstützend eingesetzt.

Genaue Informationen dazu, Nahrungsvorschriften und weitere Verhaltensvorschriften werden Ihnen vorher von Ihrem behandelnden Arzt und unserem (Fach-) Pflegepersonal mit an die Hand gegeben.

So erreichen Sie uns:

Prof. Dr. med. Martin Wolf

Chefarzt

Prof. Dr. med. Martin Wolf

Chefarzt

Klinikdirektor der Onkologie und Hämatologie & PJ Koordinator