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Degenerative Erkrankungen der Wirbelsäule

Beim Menschen besteht die Wirbelsäule aus 24 freien Wirbeln, die über 23 Bandscheiben beweglich verbunden sind, sowie 8 bis 10 Wirbeln, die zu Kreuz- und Steißbein verwachsen sind. Die Bandscheiben wiederum bestehen aus einem faserhaltigen Ring, dem sogenannten Anulus fibrosus, welcher einen flüssigkeitshaltigen Gallertkern, dem sogenannten Nucleus pulposus umgibt. Durch Abnutzungserscheinungen, körperliche Belastung und Fehlhaltung der Wirbelsäule droht der Gallertkern in den Wirbelkanal vorzufallen und man spricht vom Bandscheibenvorfall. Bandscheibenvorfälle sind die häufigste Ursache von Kompressionssyndromen an Nervenwurzeln.

1. Der lumbale Bandscheibenvorfall

Durch bestimmte Alterungsprozesse kommt es zur Abnahme des Wassergehaltes des sogenannten Gallertkerns der Bandscheibe und somit zu einem Verlust der Dämpfungseigenschaften der Bandscheibe. Die Bandscheiben verlieren ihre Elastizität. Auf diesem Weg können Risse im Bereich der Bandscheibe selbst, aber auch im umgebenden Faserring entstehen. Durch diese Einrisse können sich Anteile des inneren Kerns der Bandscheibe vorwölben und auf die Nervenwurzel drücken. Auf dieser Weise entsteht der Bandscheibenvorfall mit entsprechenden Beschwerden.

Durch die mechanische Reizung an der Nervenwurzel kommt es zu Schmerzen im Rücken und entlang der Beine. Abhängig von der Lokalisation des Bandscheibenvorfalls treten die Beschwerden entweder vorne, seitlich oder hinten im Bein auf. Ausfälle in der Sensibilität (Ameisenlaufen, Kribbelgefühl, Kältegefühl) können zu jedem Zeitpunkt auftreten. Diese sensiblen Ausfälle sind es, die meist den Patienten den Arzt aufsuchen lassen. Gefährlicher wird es, wenn motorische Ausfälle (Schwäche der Fußhebung oder der Fußsenkung) entstehen. Im Extremfall kann es auch zum Kauda-Syndrom (Harn- und Stuhlinkontinenz, Gefühlstörung im Genitalbereich, Impotenz) kommen. Dabei handelt es sich um einen Notfall.

Die Behandlung des einfachen lumbalen Bandscheibenvorfalls (bei fehlenden Lähmungen) ist zunächst immer konservativ. Die konservative Therapie beinhaltet in der akuten Phase die Schmerzlinderung und später bei Besserung der Beschwerden die Krankengymnastische Behandlung zur Kräftigung der Rückenmuskulatur und zur Rückenschulung. Hier können verschiedene Übungen in Frage kommen: Massagen, Bewegungsbäder, Wärmeapplikation und Fangopackungen. Zur Schmerztherapie können verschiedene Präparate wie Ibuprofen, Novalgin und weitere NSAR unter ärztlicher Anordnung hilfreich sein. Bei extremen immobilisierenden Schmerzen kann auch eine stationäre Schmerztherapie im Klinikum Kassel den Patienten helfen.

Operation

Eine Operation ist notwendig, wenn die Schmerzen trotz intensiver Schmerztherapie und Physiotherapie mehrere Wochen bestehen bleiben (Resistente Beschwerden) und wenn akute Lähmungserscheinungen auftreten. Ein besonderer Notfall stellt das sog. Kauda-Syndrom dar. Dies beschreibt das Auftreten von Harn-, oder Stuhlinkontinenz, Taubheitsgefühl im Genitalbereich sowie sexuale Funktionsstörung im Rahmen eines Bandscheibenvorfalls. Die moderne minimal invasive Operation unter Mikroskop ist der Standard.

2. Die Lumbale Spinalkanalstenose

Durch die Aufhebung der Dämpfungsfunktion der Bandscheibe (bedingt durch Verlust des Wassergehaltes im Gallertkern) wird ein erhöhter Druck auf den angrenzenden Wirbelkörper ausgeübt und es kommt zu einer übermäßigen Verknöcherung. Der Körper versucht mit dieser Knochenbildung diesen komplexen und fortschreitenden Prozess zu kompensieren. Es kommt zur Spornbildung an Deck- und Grundplatten. Ebenfalls kommt es zur Verdickung des sog. gelben Bandes und zur Vergrößerung der Wirbelgelenke. Diese Prozesse führen gemeinsam zur Einengung des Spinalkanals und somit zu Schmerzen im Rücken und in den Beinen sowie zum Hinken beim Laufen.

Die Patienten berichten typischerweise über sogenannten Claudicatio spinalis. Hierunter versteht man einen Symptomkomplex mit belastungsabhängigen Rückenschmerzen sowie Schmerzausstrahlung in die Beine mit deutlicher Verkürzung der Gehstrecke. Die Betroffenen müssen sich immer wieder hinsetzen oder vorbeugen, damit es zur Schmerzlinderung kommt. Im weiteren Verlauf kommt es unter Umständen dann auch zu neurologischen Defiziten an den unteren Extremitäten, einschließlich vegetativer Störungen wie Blasen- oder Stuhlinkontinenz.  

Konservativ

Liegt eine Spinalkanalstenose vor, so kann zunächst bei fehlenden Lähmungserscheinung und fehlenden vegetativen Störungen die konservative Behandlung völlig ausreichend sein. Die beinhaltet sowohl die medikamentöse Therapie als auch die Physiotherapie. Folgende konservative Therapien stehen heute zur Verfügung.

  1. Physiotherapeutische Übungen zur Entlastung der Wirbelsäule
  2. Rückenschule zur Kräftigung der Rücken- und Bauchmuskulatur
  3. Elektrotherapie
  4. Wärmetherapie 
  5. Stützkorsett bei Skoliose

Operation

Eine Operation kann in manchen Fällen sehr hilfreich sein. Diese kommt in Frage, wenn die konservative Therapie versagt und die Lebensqualität durch die Schmerzen sehr beeinträchtigt ist oder wenn es zu Nervenausfällen kommt. Wir führen diese Operationen mit modernen und minimal invasiven Techniken durch, was dem weltweiten Standard entspricht. Ziel der Operation ist es, die eingeengten Strukturen zu entlasten. Dies geschieht durch Dekompression des Spinalkanals in den betroffenen erkrankten Höhen. Die Ergebnisse der Operationen sind bei richtiger Indikationsstellung sehr gut. Liegt jedoch zu der Spinakanalstenose eine zusätzliche Instabilität der Wirbelsäule vor, so muss eine Versteifungsoperation durchgeführt werden.

Versteifungsoperationen bei Instabilität der lumbalen Wirbelsäule

Die Folgen der fortschreitenden Veränderungen (Höhenminderung des Segments, Arthrose der Wirbelbogengelenke, Hypertrophie des gelben Bandes) können eine sekundäre, degenerative Instabilität und die Entwicklung eines chronisch degenerativen „Wirbelgleitens“ sein. Dies führt zur zusätzlichen Verengung des Spinalkanales. Die vorhandene Bandscheibendegeneration begünstigt weiterhin die Ausbildung sekundärer Krümmungen auch in der Frontalebene, mit der Folge beispielsweise eines Drehgleitens oder einer multisegmentalen Deformität. 

Die Patienten klagen zusätzlich zu den Beschwerden in den Beinen über bewegungsabhängige Rückenschmerzen. In solchen Fällen reicht eine alleinige Entlastungsoperation des Spinalkanals nicht aus. Hier muss eine Versteifungsoperation zur Wiederherstellung der physiologischen Stellung der lumbalen Wirbelsäule in Erwägung gezogen werden.

3. Der zervikale Bandscheibenvorfall

Auf ähnliche Art und Weise wie im Bereich der lumbalen Wirbelsäule, entsteht der zervikale Bandscheibenvorfall. Mit dem Alter wird der Wassergehalt des inneren Gallertrings geringer und die Bandscheiben verlieren ihre Flexibilität und Elastizität. Es entstehen Einrisse im äußeren Ring, wodurch sich Anteile der Bandscheibe vorwölben können und zur Verdrängung oder Quetschung der Nervenwurzel führen können. Ebenfalls führt das Fortschreiten der Abnutzungsvorgänge zur Höhenminderung im Bandscheibenfach, was wiederum zur Einengung der Nervenaustrittslöcher auf beiden Seiten der Halswirbelsäule führen kann. So kann bei einem Bandscheibenvorfall der ausgetretene Kern Druck auf die umgebenden Rückenmarknerven (Radikulopathie) oder das Rückenmark (Myelopathie) erzeugen, was zu schmerzhaften Beschwerden führt.

Ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule kann zu Nackenschmerzen, Schulterschmerzen sowie zu ausstrahlenden Schmerzen im Arm führen. Außerdem treten Sensibilitätsstörungen wie Taubheitsgefühl oder Kribbeln auf. Die Stärke und Art der Schmerzen reichen von dumpf, ziehend und schwer zu lokalisieren bis hin zu scharf, brennend und genau zu lokalisieren. In manchen Fällen kann es zu Lähmungserscheinungen im Arm, in der Schulter sowie in der Hand und in den einzelnen Fingern kommen.

Die Behandlung des zervikalen unkomplizierten Bandscheibenvorfalls (bei fehlenden Lähmungen) ist zunächst konservativ. Die konservative Therapie beinhaltet in der akuten Phase die Schmerzlinderung und die Bewältigung der akuten Phase und später, bei Besserung der Beschwerden, die krankengymnastische Behandlung zur Kräftigung der Nackenmuskulatur. Hier können verschiedene Übungen in Frage kommen: Massagen, Bewegungsbäder, Wärmeapplikationen und eine heiße Rolle. Zur Schmerztherapie können verschiedene Präparate wie Ibuprofen, Novalgin und weitere NSAR unter ärztlicher Anordnung hilfreich sein. Bei extremen immobilisierenden Schmerzen kann auch eine stationäre Schmerztherapie bei uns indiziert sein.

Operation

Der ventrale Zugang: dieser Zugang wird nach Lage und Beschaffenheit des Bandscheibenvorfalls gewählt. Liegt ein harter (verknöcherter) Vorfall mittig vor, so wird dieser Zugang gewählt. Hier wird zunächst die gesamte Bandscheibe entfernt und damit die Nervenwurzeln entlastet. In dem nun entstandenen Zwischenwirbelraum wird anschließend ein Platzhalter eingebracht und somit das Segment fusioniert. Der ventrale Zugang, also von vorne auf der rechten Halsseite, wird am häufigsten durchgeführt. 

Der dorsale Zugang (dorsale Foraminotomie nach Frykholm): entlang der Mittellinie des Nackens von hinten kann dieser Zugang bei weichen und seitlich gelegenen Bandscheibenvorfällen zur Entfernung eines Vorfalls gewählt werden. Hier wird das Bandscheibenfach nicht wie beim ventralen Zugang ganz entfernt, sondern nur der Bandscheibenvorfall entfernt. Somit ist das Einbringen eines Interponates oder Platzhalter nicht erforderlich und die eigene Bandscheibe bleibt erhalten.

4. Spondylodiszitis

Die Spondylitis ist die Osteomyelitis der Wirbelsäule und beschreibt eine Entzündung der Bandscheibe und der beiden angrenzenden Wirbelkörper. Die Spondylodiszitis kann schwere Krankheitssymptome verursachen und vital bedrohlich werden. Die Kliniksterberate liegt bei 2 bis 17 %. Infektionen der Wirbelsäule sind selten und werden oft erst spät erkannt und behandelt. Mögliche Erreger sind Bakterien, Pilze und selten Parasiten. Meistens handelt es sich um eine bakterielle Infektion, wobei abhängig vom Erreger die spezifische von der unspezifischen Spondylitis unterschieden wird. Der häufigste bakterielle Erreger ist Staphylococcus aureus mit einer Häufigkeit zwischen 30 und 80 %.

Die Symptome beginnen nach einer schmerzfreien Phase mit zunehmenden Schmerzen an der betroffenen Region der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule, begleitet von erhöhten Temperaturen und Nachtschweiß. Typischerweise besteht ein Fersenfall-, Stauchungs- und Klopfschmerz bei fehlendem oder geringem lokalen Druckschmerz. Die Betroffenen zeigen eine Schonhaltung und vermeiden die Belastung der vorderen Wirbelsäulenabschnitte. So werden insbesondere die Vorbeugung und die Wiederaufrichtung als schmerzhaft beschrieben.

Die Kernspintomografie (MRT) ist bei Verdacht auf eine Spondylodiszitis das bildgebende Verfahren der Wahl. Durch die Darstellung der Wirbelsäule über ihre gesamte Länge werden auch Infektionen anderer Wirbelsäulenabschnitte mit erfasst. Mit Hilfe der Computertomographie kann die Knochenqualität der Wirbelsäule am besten dargestellt und begutachtet werden. So können Deformitäten der Wirbelsäule entdeckt und behandelt werden.

Die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Therapie mit Ausheilung der Spondylodiszitis ist die Ruhigstellung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts (mittels Korsett), die antibiotische Therapie (nach Bestimmung der Erreger) und je nach Ausmaß der Erkrankung das Sanieren der Stelle und die Entlastung des Spinalkanals.

Operation

Ein operatives Vorgehen ist notwendig wenn folgende Befunde vorliegen:

  • Neurologische Ausfälle
  • Blutvergiftung
  • Deformität der Wirbelsäule
  • Instabilität der Wirbelsäule
  • Einengung der Spinalkanal
  • Versagen der konservativen Therapie

5. Spinale Tumore

Unter spinalen Tumoren versteht man Geschwülste der Wirbelsäule, die entweder außerhalb der Rückenmarkhaut (extradural), innerhalb der Rückenmarkhaut (intradural) oder im Rückenmark (intramedullär) vorkommen. In der Regel sind spinale Tumore (bis auf die spinalen Metastasen) gutartig.

Zu den häufigsten gutartigen Tumoren gehören:

  • Neurinome (von Nervenscheiden ausgehend)
  • Meningeome (von der Rückenmarkhaut ausgehend)
  • Ependymome (von den Ependymzellen ausgehen)
  • Astrozytome

Spinale Metastasen stellen die häufigste Form des bösartigen Tumors dar. Sie gehen oft von der Lunge, Brust oder Prostata aus. 

Die häufigsten Symptome dieser Tumoren sind Schmerzen. Zusätzlich können im späteren Verlauf neurologische Ausfälle auftreten. So können abhängig von der Lage sowie der Größe des Tumors Taubheitsgefühle, Kraftminderung der Arme oder Beine sowie Querschnittlähmungen bis hin zu Blasen- und Mastdarmstörungen auftreten. 

Die operative Entfernung des Tumors ist der einzige Weg, den Tumor zu beseitigen. Eine komplette Entfernung ist jedoch nicht immer möglich (intramedulläre Astrozytome). Die Behandlung der spinalen Metastasen ist in der Regel eine Zusammenarbeit verschiedener Fachbereichen.

Die operative Tumorentfernung wird in der Regel unter einem Mikroskop durchgeführt. Um wichtige Nervenstrukturen während des Eingriffes nicht zu schädigen, werden solche Eingriffe bei uns unter fortlaufender Überwachung der Nervenleitungdurchgeführt (sog. elektrophysiologisches Monitoring mit SSEP und EMG). Zusätzliches technisches Hilfsmittel während des Eingriffs ist der sog. CUSA (Ultraschallspirator). Mit dem Aspirator wird sehr schonend abgesaugt.

So erreichen Sie uns:

Prof. Dr. med. Wolfgang Deinsberger

Chefarzt

Prof. Dr. med. Wolfgang Deinsberger

Chefarzt

Klinikdirektor der Neurochirurgie