Herzschrittmacher, implantierbare Defibrillatoren (ICD) und kardiale Resynchronisationstherapie (CRT)
Herzschrittmacher
Die Therapie mit Herzschrittmachern am Klinikum Kassel ist seit Jahrzehnten etabliert. Zu diesem Eingriff ist in der Regel eine lokale Betäubung ausreichend. Jährlich werden im Klinikum ca. 350 Schrittmacher implantiert. Es werden entsprechend der Indikation Ein-, Zwei- und Dreikammer Herzschrittmachersysteme eingesetzt. Alle am Klinikum Kassel implantierten Schrittmachersysteme sind MRT geeignet, sodass auch nach der Schrittmacherimplantation MRT-Untersuchungen möglich sind. Die Auswahl der Schrittmachermodelle orientiert sich am aktuellen Stand des medizinischen Wissens und des technischen Fortschrittes in enger Zusammenarbeit mit den führenden Anbieter*innen der Medizintechnologie. Die individuelle Anpassung der Schrittmachermodelle an die unterschiedlichen Bedingungen der Patient*innen ist der Garant für bestmögliche Behandlungsergebnisse. Unter Nutzung neuer Technologien können auch Kontrollen von Schrittmachersystemen über das Telefonsystem angeboten werden (Telemedizin). Hierdurch ist eine Verringerung des Aufwandes der Kontrollen möglich.
Implantation der Kardiokapsel „MICRA“
Der kleinste Herzschrittmacher der Welt, die Kardiokaspel „MICRA“ der Firma Medtronic, ist weniger als ein Zehntel so groß wie ein herkömmlicher Schrittmacher, etwa so groß wie eine große Vitamintablette. Sie bietet die fortschrittlichste Herzschrittmachertechnologie und ist dabei kosmetisch unsichtbar und klein genug, sodass sie über einen Katheter minimalinvasiv unmittelbar ins Herz eingebracht werden kann. Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass keine empfindliche Herzschrittmacherelektrode mehr benötigt wird. Zudem stellt die Kardiokaspel eine Alternative für Patient*innen dar, bei denen die Schlüsselbeingefäße verschlossen sind.
Sobald die Kardiokapsel direkt im Herzen positioniert ist, wird sie an der Herzwand befestigt. Sie kann bei Bedarf umpositioniert oder entfernt werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Schrittmachern sind bei der Kardiokapsel weder Drähte („Elektroden“) erforderlich noch muss operativ eine „Tasche“ unter der Haut angelegt werden. Stattdessen wird das System mit winzigen Titanärmchen in der Herzwand verankert und gibt über einen Pol an der Spitze des Geräts die elektrischen Impulse für die Herzaktivität ab.
Trotz der geringen Größe der Kardiokapsel beträgt die geschätzte Lebenszeit der Batterie zehn Jahre. Das System reagiert auf den Aktivitätsgrad der Patient*innen, indem es die Schrittmachertätigkeit automatisch anpasst. Es ist für MRT-Untersuchungen aller Körperregionen zugelassen und hält den Patient*innen so den Zugang zu den fortschrittlichsten diagnostischen Bildgebungsverfahren offen.
Implantierbare Defibrillatoren (ICD)
Implantierbare Defibrillatoren wurden erstmals weltweit 1980 eingeführt und in Deutschland 1985 erstmals implantiert. Diese Therapie ist eine heute wissenschaftlich wiederholt belegte effektive Maßnahme zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes durch bösartige Herzrhythmusstörungen aus den Herzkammern (ventrikuläre Tachykardien, Kammerflimmern). Wurden in früheren Jahren diese Geräte fast ausschließlich bei Patient*innen mit erfolgreicher Wiederbelebung nach einem rhythmusbedingten Herzkreislaufstillstand implantiert, so werden heute Patient*innen damit versorgt, die ein erhöhtes Risiko für das Auftreten eines plötzlichen Herztodes, aber noch keine dieser Episoden erlebt haben.
Die Implantation dieser Geräte erfolgt ähnlich wie die Implantation eines Herzschrittmachers. Jährlich werden am Klinikum bis zu 200 dieser Geräte implantiert. Es werden entsprechend der Indikation Ein-, Zwei- und Dreikammer-ICDs implantiert. Alle am Klinikum Kassel implantierten ICD-Systeme sind MRT geeignet, sodass auch nach der ICD-Implantation MRT-Untersuchungen weiterhin möglich sind. Die Auswahl der Systeme erfolgt unter stetiger Anpassung an neue wissenschaftliche Ergebnisse und eng angelehnt an den medizinischen Fortschritt. Die Nachsorge der Patient*innen erfolgt, ähnlich wie bei den Herzschrittmachern, alle 6 Monate in der Ambulanz. Auch hier besteht die Möglichkeit der Einrichtung einer Fernabfrage der ICD-Geräte über die Telemedizin.
Subkutaner implantierbarer Defibrillatoren (S-ICD)
Bei einem konventionellen ICD (siehe oben) werden die sogenannten ICD-Elektroden oder Schock-Elektroden über eine Vene im Bereich des Schlüsselbeins bis ins Herz vorgeschoben. Über diese Elektrode nimmt der Defibrillator die elektrischen Impulse des Herzens wahr und über die Elektroden fließt auch der elektrische Strom bei der Defibrillation. Diese Positionierung der Elektrode im Herzen hat Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen gehört, dass das ICD-Aggregat über Informationen unmittelbar aus dem Herzen verfügt und somit gut zwischen einer echten Herzryhthmusstörung und einer Störung (Artefakt) unterscheiden kann. Auch ist die Energie, die für eine erfolgreiche Defibrillation erforderlich ist, relativ niedrig. Wenn der ICD relativ häufig Defibrillationen durchführen muss und auch eine Abhängigkeit von einem Schrittmacher-System besteht, ist das konventionelle ICD-System mit Elektroden alternativlos. Patient*innen mit einem Risiko für einen plötzlichen Herztod (SCD), die aber nicht auf einen Schrittmacher angewiesen sind oder bei denen die Wahrscheinlichkeit für ein Defibrillations-Ereignis gering ist, können heute auch mit einem subkutanen Defibrillator (S-ICD) versorgt werden.
Bei diesem System erfolgt die Implantation des Aggregates und der Elektrode isoliert unter der Haut. Keinerlei Material wird in Gefäße oder bis in das Herz vorgeführt. Die Positionierung der Sonden ist relativ einfach durchführbar, das Aggregat kann auch unkompliziert gewechselt oder getauscht werden. Insbesondere junge Patient*innen mit einem erhöhten Risiko für Fehlfunktionen von konventionellen ICD-Elektroden, die über die Venen vorgeführt werden, sowie Patient*innen, bei denen der Zugangsweg über Venen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist oder bei denen z. B. ein Infekt einer vormaligen Schrittmachertasche bestand, können von einem subkutanen ICD profitieren.
Kardiale Resynchronisationstherapie (CRT)
Schätzungsweise 30 – 35 % der Patient*innen mit fortgeschrittener Herzschwäche (Herzinsuffizienz) leiden zusätzlich an einer Leitungsverzögerung der elektrischen Aktivierung des Herzens, die durch einen verbreiterten QRS-Komplex im EKG ersichtlich wird und sich mechanisch in unkoordinierten Kontraktionen der Herzkammer äußert. Sie verursacht eine weitere Verringerung der Pumpleistung des Herzens. Diesem Phänomen kann durch eine biventrikuläre Stimulation (gleichzeitig elektrische Stimulation der rechten und der linken Herzkammer mittels Schrittmacher) begegnet werden, welche die Arbeit der Herzkammern resynchronisiert und damit die Pumpleistung des Herzens ohne gleichzeitige Steigerung des Sauerstoffverbrauches erhöht. Alle großen Untersuchungen und Studien zeigten nach dem Einsatz eines biventrikulären Schrittmachers oder Defibrillators eine Verbesserung der Herzfunktion, der körperlichen Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Auch werden die notwendigen Krankenhausaufenthalte vermindert. Parallel dazu wird das Überleben der Patient*innen verbessert.
Der operative Einsatz eines biventrikulären Schrittmachers oder Defibrillators erfolgt prinzipiell vergleichbar zu einem gewöhnlichen Schrittmacher oder implantierbaren Defibrillator. Jedoch wird eine zusätzliche Elektrode über die Vene des Herzens (Coronarsinus) auf die linke Herzkammer aufgebracht, so dass die rechte und linke Herzkammer gleichzeitig stimuliert werden. Dafür wird zuerst die Herzvene mit einem Führungskatheter sondiert und mittels Kontrastmittel dargestellt. Unter Verwendung eines PTCA-Drahts (Mandrin) wird die Zielvene im Bereich der Seitenwand des Herzens sondiert. Über diesen Draht wird die linksventrikuläre Elektrode auf die freie Wand des linken Herzens vorgeführt. Abschließend wird der Führungskatheter aus der Herzvene herausgezogen und die Elektrode verbleibt in der lateralen Herzvene. In der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen / Internistische Intensivmedizin des Klinikum Kassel erfolgen so jährlich ca. 100 - 120 Implantationen von kardialen Resynchronisationsgeräten, überwiegend mit zusätzlicher Defibrillatorfunktion.
Left Bundle Branch Area Pacing (LBB-AP)
Ein Teil der Patient*innen entwickelt eine Pumpschwäche der linken Herzkammer, wenn über einen konventionellen Herzschrittmacher permanent die rechte Herzkammer stimuliert und aktiviert wird. Zudem gibt es heute auch Patient*innen, die einen vorbestehenden Linksschenkelblock aufweisen und für die CRT-Therapie nicht in Frage kommen bzw. bei denen die CRT-Therapie nicht den gewünschten Therapie-Effekte gezeigt hat (Non-Responder). Des Weiteren gibt es Patient*innen, bei denen ein Herzschrittmacher vor der Ablation des AV-Knotens bei permanentem Vorhofflimmern und unzureichender Kontrolle der Herzfrequenz implantiert wird (Pace and Ablate Strategie). Es ist bekannt, dass diese Patient*innen nachfolgend zu 100 % in der rechten Herzkammer stimuliert werden und bei ihnen ein gewisses erhöhtes Risiko besteht, über die permanente Stimulation der rechten Herzkammer eine Herzschwäche zu entwickeln.
Für all diese Patient*innen stellt die Left Bundle Branche Area Pacing (LBB-AP) Strategie eine weitere Therapieoption dar. Hierbei wird, wie bei der konventionellen Schrittmacherimplantation, eine Elektrode in den rechten Ventrikel implantiert, jedoch nicht in die Spitze der rechten Herzkammer (Apex), sondern über einen bestimmten Führungskatheter in das hohe Septum (Herzscheidewand) zwischen der rechten und linken Herzkammer. Diese Elektrode wird dabei so tief in die Herzscheidewand eingeschraubt, dass sie den Herzmuskel in der Nähe des linken Tawara-Schenkels (physiologische Reizleitungsstruktur) stimuliert und dadurch eine nahezu physiologische Stimulation des linken Herzens hervorruft. Dadurch werden die negativen Effekte der permanenten Herzschrittmacherstimulation in der Herzspitze des rechten Ventrikels überwunden. Die Erregungsausbreitung und die nachfolgende Kontraktionen (Herzarbeit) des linken Herzen kann dann nahezu so erfolgen, als wenn es keine Erkrankung der elektrischen Aktivierung gäbe.
So erreichen Sie uns:
Prof. Dr. med. Rainer Gradaus
Chefarzt
Prof. Dr. med. Rainer Gradaus
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