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Gut essen, gern bewegen, gemeinsam lachen

Klinikum Kassel startet mit "Team Herkules" erstes Adipositas-Therapiekonzept für Kinder und Jugendliche in Nordhessen

Mareike Spijker ernährungstherapeutische Leiterin des Programms erklärt Teilnehmenden die Ernährungspyramide (Foto: GNH/Schoelzchen)
Kassel

Die Zahlen sind erstmal erschreckend: 15.000 bis 20.000 Kinder in Nordhessen sind übergewichtig. 5000 bis 6000 adipös, etwa 500 schwer adipös. Für diese Kinder und Jugendlichen gab es in Nordhessen bisher kein medizinisch fundiertes, ganzheitliches Therapiekonzept. "Für Erwachsene gibt es diese bereits. Dabei wäre es mindestens genauso wichtig, schon den Kindern zu helfen, um ihnen die Stigmatisierung durch Schule und Gesellschaft zu ersparen und so nicht nur körperliche, sondern auch psychische Spätfolgen zu vermeiden", sagt Prof. Dr. Andreas Jenke, Chefarzt der Klinik für Neonatologie und allgemeine Pädiatrie am Klinikum Kassel.

Langfristiges Übergewicht und ein inaktiver Lebensstil sind mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden. "In Amerika ist Übergewicht seit einigen Jahren bereits der häufigste Grund für eine Lebertransplantation. Dorthin werden wir auch kommen, wenn wir nicht entschieden handeln", vermutet Prof. Jenke. Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen sind weitere mögliche Auswirkungen des Übergewichts.

Doch es sind nicht nur die körperlichen Schäden, die ihm Sorge bereiten. Übergewichtige Kinder und Jugendliche nehmen oft weniger als ihre Klassenkameraden am Schul- und Sozialleben teil und sind nicht selten Ziel von Ausgrenzung und Hänseleien; ein Teufelskreis, denn der Rückzug verschlechtert die gesundheitliche, körperliche und psychische Situation der Heranwachsenden weiter.

Die Abteilung für Ernährungsmedizin im Kindes- und Jugendalter hat daher in enger Kooperation mit dem Rehazentrum und der Abteilung für pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie aus dem Klinikum Kassel das "Team-Herkules" ins Leben gerufen. Seit November 2021 bietet das Konzept jungen, übergewichtigen Patientinnen und Patienten im Alter von 10 bis 17 Jahren gemeinsam mit ihren Familien eine fundierte Hilfe, Lebensgewohnheiten, die zu Übergewicht und Adipositas führen, zu verändern. "Wir lenken den Fokus der Kinder und Jugendlichen nicht auf das Gewicht, denn unser Programm ist nicht auf den schnellen Abnahmeerfolg ausgerichtet. Es geht uns darum, die Lebensqualität sowie körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zu verbessern. Dafür wollen wir ihnen geeignete Werkzeuge an die Hand geben", sagt Mareike Spijker, ernährungstherapeutische Leiterin des Programms. Das Konzept wurde in enger Kooperation mit Meike Jenner, Sporttherapeutin im Reha-Zentrum, und Dieter Kunert, Dipl. Pädagoge und Leiter der pädiatrischen Psychosomatik und Psychotherapie am Klinikum Kassel, ausgearbeitet.

Das "Team-Herkules"" richtet sein Angebot an Kinder mit starkem Übergewicht oder zusätzlichen Problemen wie zum Beispiel Diabetes. Das Programm dauert 6 Monate und umfasst zwei Bewegungseinheiten und eine Gruppenschulung pro Woche. In zwei Gruppen - 10 bis 13 Jahre und 14 bis 17 Jahre -sollen mit den Teilnehmenden sowie jeweils einem Elternteil, gemeinsam Lösungen erarbeitet werden, den Alltag gesünder und aktiver zu gestalten. 

Inhalte des Ernährungsteils umfassen eine gesunde und ausgewogene Lebensmittelauswahl, Einkaufs- und Zubereitungs-Tipps wie auch praktische Kocheinheiten. "Wir wollen mit den Familien zusammen eine ausgewogene und abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl kennenlernen, neue Zubereitungsmethoden ausprobieren und mit Spaß eine Ernährungsweise finden, die gesundheitsförderlich ist und dabei die individuellen Bedürfnisse der Kinder, Jugendlichen und Familien berücksichtigt", sagt Mareike Spijker. Neben den Gruppenstunden gibt es Einzelgespräche und Online-Coachings. Außerdem findet in regelmäßigen Abständen eine ärztliche Untersuchung mit Erfassung der Laborwerte statt. 

Im Sportprogramm trainieren die Kinder und Jugendlichen Beweglichkeit, Ausdauer und Kraft. Sie lernen die Motivation im Sport kennen und können sich in verschiedenen Sportarten ausprobieren. "Ziel der Bewegungseinheiten ist es, spielerisch und mit viel Spaß die körperliche Aktivität der Teilnehmer zu steigern und durch das Gruppensetting die gegenseitige Motivation für Bewegung zu entdecken. Wir wollen gemeinsam viele Bewegungsformen und verschiedene Sportarten kennenlernen", beschreibt Meike Jenner ihren Programmteil.

Das Programm enthält zudem eine psychosoziale Komponente, die von der Abteilung Pädiatrische Psychosomatik angeboten werden. "Adipositas ist eine komplexe chronische Erkrankung. Adipöse Kinder und Jugendliche leiden dabei unter starken psychosozialen Belastungen", sagt Dieter Kunert, psychotherapeutischer Leiter der Abteilung. Im psychosozialen Programmteil sollen die Teilnehmenden Wege finden, Verhaltensweisen zu ändern, ihre Selbstwahrnehmung und -akzeptanz zu verbessern, ihr Leben aktiver zu gestalten und Konflikte besser zu bewältigen. 

Im November ist die erste Gruppe mit jeweils fünf Teilnehmenden sowie ihren Eltern gestartet. Die Sport, Ernährungs- und Verhaltenstherapieeinheiten werden von den Familien gut angenommen.

Bei regelmäßiger Teilnahme werden die Kosten von den Krankenkassen erstattet. Über die gesamte Dauer übernehmen die Familien nur einen Eigenanteil von 100 Euro für Lebensmittel, die gemeinsam zubereitet und verzehrt werden. Wenn das Projekt erfolgreich verläuft und von den Kindern und Jugendlichen gut angenommen wird, geht es im Sommer in die nächste Runde und kann perspektivisch auch auf jüngere Altersgruppen erweitert werden.

Weitere Informationen sowie Möglichkeiten zur Anmeldung finden Sie unter:
www.gnh.net/team-herkules