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Mini-Gerät bringt Herz auf Trab
Die Kardiologen im Klinikum Kassel haben erstmals in Nordhessen einer Patientin den kleinsten Herzschrittmacher der Welt eingesetzt. Die Kardiokapsel hat mit rund zwei Zentimetern Länge etwa die Maße einer großen Vitamintablette, wiegt weniger als zwei Gramm und kommt ganz ohne Drähte aus.
Prof. Dr. Rainer Gradaus, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen im Klinikum Kassel, hat die Kardiokapsel bei einer 81-jährigen Patientin implantiert, die unter Schwindel und Schwäche auf Grund eines zu langsamen und unregelmäßigen Herzschlages litt. Wegen ihrer Vorerkrankungen – Bypass-Operation und kathetergestützte Herzklappenbehandlung – entschieden sich die Ärzte bei der Patientin für diesen neuartigen Herzschrittmacher. Der gesamte Eingriff dauerte nur 26 Minuten und konnte unter lokaler Betäubung erfolgen.
Herzschrittmacher müssen bei Patienten eingesetzt werden, bei denen das Herz zu langsam schlägt (= Bradykardie). Es kann dann nicht genug sauerstoffreiches Blut für normale körperliche Aktivität oder gar stärkere Belastung durch den Körper pumpen. Das führe zu Benommenheit, Müdigkeit, Kurzatmigkeit und Ohnmachtsanfällen, nennt Prof. Gradaus die Symptome. Herzschrittmacher – das gebräuchlichste Mittel zur Behandlung der Bradykardie – senden elektrische Impulse aus, um die Herzfrequenz zu steigern, und tragen so dazu bei, den natürlichen Herzrhythmus wiederherzustellen und die Symptome zu lindern.
Weltweit werden über eine Million Herzschrittmacher pro Jahr implantiert, in Deutschland sind es etwa 120.000/Jahr. Konventionelle Herzschrittmacher bestehen aus dem eigentlichen Schrittmacheraggregat und einer Herzschrittmacherelektrode. Das Schrittmacheraggregat wird unterhalb des rechten oder linken Schlüsselbeins unter die Haut eingepflanzt. Die Elektrode wird über die Schlüsselbeinvene zum Herzen geführt und am Herzschrittmacheraggregat festgeschraubt.
Der kleinste Herzschrittmacher der Welt, die Kardiokaspel „Micra“, ist weniger als ein Zehntel so groß wie ein herkömmlicher Schrittmacher. Sie bietet die fortschrittlichste Herzschrittmachertechnologie und ist so klein, dass sie über einen Katheter minimalinvasiv unmittelbar ins Herz eingebracht werden kann. Die Kardiokapsel wird im Herzen positioniert und mit winzigen Titanhäkchen in der Herzwand verankert. Bei Bedarf kann sie an eine andere Position gebracht oder entfernt werden. Über einen Pol an der Spitze des Geräts gibt die Kapsel die elektrischen Impulse für die Herzaktivität ab. Dabei reagiert sie auf die Aktivität des Patienten und passt ihre Schrittmachertätigkeit automatisch an.
Ein wesentlicher Vorteil der Kardiokapsel gegenüber einem herkömmlichen Schrittmacher liegt nach den Worten von Prof. Gradaus darin, dass keine empfindlichen Herzschrittmacherelektroden („Drähte“) mehr benötigt werden. Außerdem entfällt die Operation zum Einbringen des Aggregats unter die Haut, so dass die Kardiokapsel kosmetisch unsichtbar implantiert wird. Trotz der Mini-Größe beträgt die geschätzte Lebenszeit der Batterie bis zu zehn Jahre. Der Schrittmacher-Winzling ist für MRT-Untersuchungen aller Körperregionen zugelassen, daher bleibt den Patienten der Zugang zu dieser modernen Diagnosemethode erhalten.
Die Kardiokapsel ist für Patienten geeignet, bei denen nur die rechte Herzkammer stimuliert werden muss, so Prof. Gradaus. Dies trifft auf etwa ein Fünftel der Menschen zu, die einen Herzschrittmacher erhalten. Zudem stelle die Kardiokaspel eine Alternative für Patienten dar, bei denen die Schlüsselbeingefäße verschlossen sind.