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Pankreas- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs

Wir sprechen mit PD Dr. Kia Homayounfar, Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie über die Bauchspeicheldrüse, warum der Krebs an diesem Organ so gefährlich ist, und welche neuesten Möglichkeiten zur Behandlung es im Klinikum Kassel gibt.

Wo im Körper befindet sich die Bauchspeicheldrüse und welche Funktion hat sie?

Die Bauchspeicheldrüse – oder unter uns Medizinern „das Pankreas“ – liegt versteckt hinter dem Magen und vor der Wirbelsäule. Sie ist ca. 15 cm lang, 5 cm breit und 2-3 cm dick und wird in drei Abschnitte unterteilt: Kopf, Körper und Schwanz. Alle Teile liegen eng an wichtigen Organstrukturen. Der Bauchspeicheldrüsenkopf, durch den ein Teil des Gallenganges zieht, steht in naher Beziehung zum Zwölffingerdarm, dem Duodenum. Der Bauchspeicheldrüsenschwanz reicht auf der linken Seite bis zur Milz. Und der Bauchspeicheldrüsenkörper liegt eng an lebenswichtigen Blutgefäßen, welche die Leber und den Darm mit Schlagaderblut versorgen.

Die Bauchspeicheldrüse erfüllt sehr wichtige Funktionen für die Verdauung und die Regulation des Blutzuckerhaushaltes. In der Bauchspeicheldrüse werden viele unterschiedliche Enzyme gebildet, die über ein Gangsystem in den Zwölffingerdarm gelangen und für die Zerkleinerung der Nahrung in kleinste Bausteine notwendig sind. Nur so können diese dann aus dem Darm ins Blut aufgenommen werden. Darüber hinaus werden die Hormone Insulin und Glukagon, die den Blutzuckerspiegel regulieren, in der Bauchspeicheldrüse gebildet und von dort direkt in die Blutbahn abgegeben.

Woran lässt sich eine bösartige Erkrankung an der Bauchspeicheldrüse erkennen?

Das kommt darauf an, wo sich ein Tumor befindet. Im Bauchspeicheldrüsenkopf fällt oftmals durch eine plötzliche, schmerzlose Gelbfärbung der Haut (Ikterus) auf. Der Grund dafür ist eine durch den Tumor entstehende Einengung des Gallengangs. Allerdings muss man ganz genau hinschauen. Mitunter kann eine solche Gelbfärbung auch Folge eines Gallensteinleidens sein, dann ist sie aber meist mit Fieber oder Schmerzen verbunden. Bei einem Tumor im Bereich des Körpers oder Schwanzes der Bauchspeicheldrüse stehen Rückenschmerzen als häufigstes Symptom im Vordergrund.

In Deutschland erkranken jährlich etwa 18.400 Menschen an Pankreaskrebs. Frauen und Männer sind in etwa gleich häufig betroffen. Mit zunehmendem Altem steigt das Risiko, an Pankreaskrebs zu erkranken.

Was passiert bei der Diagnostik?

Bei Verdacht auf einen Bauchspeicheldrüsenkrebs kombinieren wir mehrere Untersuchungen. Eine besondere Bedeutung kommt der Ultraschalluntersuchung zu, die über einen Magenspiegelung durchgeführt wird (Endosonografie). In diesem Rahmen kann u.U. auch eine Probe aus dem verdächtigen Areal gewonnen werden. Ergänzend kann eine radiologische Darstellung der Gallenwege und des Bauchspeicheldrüsengangs (ERCP) notwendig sein. Zusätzlich oder bei unklaren Befunden ist eine Kernspintomografie des Oberbauches sinnvoll. Im Blut können sogenannte Tumormarker bestimmt werden, die bei einer Krebserkrankung oft erhöht sind, bei der Bauchspeicheldrüse ist dies das 
CA 19-9. Wenn sich der Verdacht auf einen Bauchspeicheldrüsenkrebs erhärtet, muss zusätzlich eine Umfelddiagnostik erfolgen, bei der nach Absiedlungen (Metastasen) gesucht wird. Dies erfolgt heute üblicherweise mit einer Computertomografie von Brustkorb und Bauchraum. 

Alle Patienten mit dem Verdacht auf einen Tumor werden in einer gemeinsamen Tumorkonferenz mit Radiologen, Pathologen, Chirurgen, Strahlentherapeuten, Gastroenterologen und Onkologen vor Therapiebeginn besprochen. Dort wird das individuell für den betroffenen Patienten beste Vorgehen diskutiert und festgelegt.

Wie lässt sich der Bauchspeicheldrüsenkrebs behandeln?

Das Pankreaskarzinomzentrum im Klinikum Kassel ist von der Deutschen Krebsgesellschaft als einzige Einrichtung in Nordhessen als onkologisches Zentrum zertifiziert, d.h. wir verfügen über eine hohe Expertise in der Diagnose, Behandlung und Nachsorge dieser Erkrankung und erfüllen so die besonders hohen Anforderungen an die Behandlungsqualität. 

Die Behandlung des Bauchspeicheldrüsenkrebses richtet sich nach dem Erkrankungsstadium zum Zeitpunkt der Diagnose. Bei Tumoren, die operativ entfernt werden können und nicht schon zu Metastasen geführt haben, ist die Operation die bestmögliche Option. Abhängig von der Lage des Tumors müssen dabei auch angrenzende Nachbarorgane mitentfernt werden. Auch kann der Ersatz von großen Blutgefäßen notwendig sein, so dass ein erfahrener Gefäßchirurg verfügbar sein sollte. Grundsätzlich sind Operationen an der Bauchspeicheldrüse sehr anspruchsvoll und mit besonderen Risiken verbunden. Im Klinikum Kassel führen wir diese Eingriffe häufig durch und verfügen über alle modernen Möglichkeiten zur Behandlung – auch bei einer notwendigen Erweiterung der Operation oder beim Auftreten von Komplikationen.

Auch nach einer vollständigen operativen Entfernung des Tumors sollten alle Patientinnen und Patienten eine intensive Chemotherapie über ca. sechs Monate erhalten. Diese Chemotherapie verdoppelt die Heilungsrate nach fünf Jahren und hat somit einen sehr wichtigen Stellenwert im Behandlungskonzept. Bauchspeicheldrüsenkrebs ist heute heilbar!

Bei Tumoren, die aufgrund ihrer Größe nicht direkt operiert werden können, kann eine intensivierte Chemotherapie dazu führen, dass in einem zweiten Schritt die Operation doch möglich wird. Im Einzelfall ist diese Behandlungsoption auch bei einer begrenzten Metastasierung möglich – allerdings sind das individuelle Entscheidungen bei sonst weitgehend gesunden und hoch motivierten Patientinnen und Patienten.

Beim Vorliegen von mehreren Absiedlungen in der Leber, Lunge oder beispielsweise im Bauchfell kommt nur eine Chemotherapie in Betracht. 

Zu unserer Behandlungsqualität zaählt auch, dass die Fälle in den oben genannten Tumorkonferenzen wiederholt gemeinsam besprochen werden und die Therapie der Patienten bei Bedarf neu angepasst wird.

Welche Prognosen habe ich, wenn sich der Verdacht bestätigt?

Trotz intensiver Forschung sind die Prognosen von Bauchspeicheldrüsenkrebs leider noch längst nicht so gut wie bei anderen Krebserkrankungen, z.B. dem Darmkrebs. Aber: Mit der Weiterentwicklung der Chirurgie sind die Operationsverfahren schonender geworden, Bluttransfusionen werden seltener benötigt und einzelne Patientinnen und Patienten können sich dem Eingriff auch als minimal-invasiv unterziehen. Durch diese Fortschritte ist es vertretbar auch betagten Patientinnen und Patienten über 80 Jahren solch große Operationen anzubieten. Außerdem haben die Kombination der unterschiedlichen Behandlungsoptionen und die Entwicklung neuer Chemotherapiesubstanzen zu einer Verbesserung der Überlebensraten geführt. 

Eine weitere erfreuliche Nachricht ist, dass sich heute die Folgen der teilweisen oder sogar vollständigen Entfernung der Bauchspeicheldrüse viel bessern kontrollieren lassen, so dass grundsätzlich auch eine weitere Teilnahme am Erwerbsleben möglich ist.